Wegen einer chronischen Wunde stand Peter Macek kurz vor einer Amputation. Er erzählt offen, wie sehr ihm das Team einer Allgemeinchirurgischen Ambulanz geholfen hat.
Von Karin Lehner
Peter Macek leidet an Typ-2-Diabetes. Dazu kam eine periphere arterielle Verschlusskrankheit mit schwerer Wundheilungsstörung an der Fußsohle, seit mehr als einem Jahr. „Vor einem halben Jahr wurden plötzlich meine Zehen blau. Und am nächsten Tag war die Mittelzehe schwarz.“ Der Beginn einer drama- tischen Entwicklung. Das stark infizierte Geschwür führt zu einer Nekrose mit freiliegendem Sehnenfach an der Fußsohle. Es droht die Amputation des Unterschenkels. „Der Seelsorger war schon bei mir, um mich auf die Amputation vorzubereiten. Ich schlief drei Nächte nicht.“
Über Umwege landet der 62-Jährige im Barmherzige Schwestern Krankenhaus Wien. Und trifft auf die Chirurgin Dr.in Sabine Fellner. Sie und ihr Team versuchen die Rettung des Fußes, operieren Macek mehrmals und entfernen dabei nekrotisches Gewebe. Um die Durchblutung des Beins zu verbessern, führt Radiologe Dr. Helmut Kopf, MSc dem Patienten mehrere Stents ein. Die Wunde wird laufend gereinigt. Zur Heilungsförderung wendet Fellner die Unterdrucktherapie an. „Dabei wird die Wunde mit einem Schwamm ausgefüllt, mit einer Folie abgedichtet und durch leichten Unterdruck unter Vakuum gesetzt.“
Transplantat statt Amputation
Ob der Fuß gerettet werden kann, ist lange nicht klar. Es gibt immer wieder Rückschlage. So muss eine Zehe amputiert werden. Doch die Chirurgin gibt nicht auf. „In der Versorgung chronischer Wunden ist es wichtig, die Zügel fest in der Hand zu behalten.“ Für die optimale Versorgung Maceks ist die Fachärztin sogar im Urlaub erreichbar. Das Engagement zahlt sich aus. Durch die Entwicklung von Granulationsgewebe über dem Sehnenfach kann sie die offene Fußsohle mit Spalthaut decken und eine Amputation verhindern. Das Anwachsen des Transplantats ist für Fellner „ein besonderer Erfolg“.
Patient sollte gut aufpassen
Neun Wochen lang braucht Macek einen Rollstuhl. Jetzt geht der pensionierte Maler und Bodenleger mithilfe eines Rollators bereits 100 Meter und kann wieder Auto fahren. „Frau Dr. Fellner hat meinen Fuß gerettet. Sie sollte alle Patient*innen in so einer Situation behandeln.“ Seit der OP findet er sich regelmäßig zur ambulanten Nachsorge im Spital ein. Fellners nächstes Ziel ist die Entfernung des Wundverbands. „Doch Herr Macek muss seinen Fuß künftig wie seinen Augapfel hüten.“
Wunden gelten als chronisch, wenn sie binnen vier bis zwölf Wochen nicht abheilen. Sie treten häufig bei Älteren oder Personen mit Grunderkrankungen auf: Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen, Polyneuropathie, Druckgeschwüren oder offenen Beinen. Manchmal entzünden sich Wunden auch nach Hüft- oder Bauchoperationen. Schätzungen zufolge leiden etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung westlicher Industriestaaten daran. Auf Österreich umgerechnet also zwischen 90.000 und 180.000 Menschen. In der Behandlung chronischer Wunden ist der enge Austausch und die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Pflege, (Gefäß-)Chirurgie, Diabetologie und Angiologie essenziell. Für die Versorgung wären „spezielle Wundzentren ideal“, erklärt Fellner.
„Aber leider sind kassenfinanzierte Zentren hierzulande die Ausnahme.“ Eine solche Ausnahme existiert im Göttlicher Heiland Krankenhaus Wien. Sie war die allererste Wundambulanz Österreichs, war bei der Gründung 2009 ein innovatives Pilotprojekt in Kooperation mit der Wiener Gebietskrankenkasse und wurde mit dem Gesundheitspreis der Stadt Wien ausgezeichnet. Heute wird die Ambulanz vom Spital alleine geführt und ist noch immer Pionierin in der Versorgung chronischer Wunden. Geöffnet ist sie jeden Dienstag zwischen 08.00 und 13.00 Uhr für stationäre wie externe Patient*innen. Eine Anmeldung ist erforderlich.
Für Betroffene bedeutet die Ambulanz eine große Chance, denn beim ersten Termin besteht die Wunde im Schnitt bereits seit 20 Monaten. Mit ambulanter Behandlung liegt die mittler Abheilungsdauer nur noch bei rund fünf Monaten. Bereits nach fünf Besuchen heilen die meisten Wunden ganz ab. Und bei acht von zehn schon zur Amputation zugewiesenen Patient*innen kann das Bein erhalten werden. Eine Erfolgsbilanz.
Prävention und Nachsorge
Raimund Schwinghammer arbeitet als Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger (DGKP) als Wundspezialist, Inkontinenz- und Stomaberater in der Ambulanz wie auf der Station. „In der Wundversorgung sehen wir viele multimorbide Patient*innen mit venösen oder arteriellen Grunderkrankungen.“ Ursache sei oft ein ungesunder Lebensstil inklusive Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum.
Daher klärt Schwinghammer in puncto Prävention und Nachsorge auf. „Für die Wundheilung braucht es eiweißreiche Kost. Das wird oft unterschätzt.“ Auch müssten Patient*innen mit diabetischem Fuß „ihre Sohle regelmäßig kontrollieren“. Der Ankauf von neuen orthopädischen Schuhen sei nicht immer nötig. „Oft reichen Anpassungen, damit der Schuh nicht mehr drückt.“ In puncto Verbandswechsel schult Schwinghammer mittlerweile sogar Angehörige von Patient*innen ein. „Weil in der Hauskrankenpflege großer Personalmangel herrscht, springen wir in der Wundambulanz ein. Der Bedarf ist größer als das Angebot.“
Unterstützt wird er seit Kurzem von DGKP Anja Kampleitner. „Wundversorgung ist wie Autofahren“, so Schwinghammer. „Das Wissen um Regeln in der Theorie ist die Basis, um losstarten zu können. Aber Sicherheit und Expertise gewinnt man nur in der täglichen Praxis.“ Was das Team beim Anblick entzündeter Wunden täglich zu sehen bekommt, „ist oft nicht schön“, gibt Kampleitner zu. „Daran musste ich mich erst gewöhnen.“ Dennoch sei der Beruf auch bei ihr Berufung.
Kaltplasma und Laser
Schwinghammer bildet sich regel- mäßig auf Kongressen fort, um Behandlungen nach aktuellem wissenschaftlichen Stand anbieten zu können. Bei Verbandsstoffen und Wundreinigungsprodukten gibt es ständig Innovation, beispielsweise ein Kaltplasmagerät zur Wundbehandlung. „Kaltplasma hat eine antimikrobielle Wirkung. Es tötet Bakterien, Viren und Pilze ab, fördert die Durchblutung wie Zellregeneration und hemmt Entzündungen. Wir setzen es seit einem Jahr ein und erzielen gute Erfolge.“ Er hofft, Wundpatient*innen in Zukunft auch per Laserbehandlung helfen zu können. „Das Gerät steht auf meiner persönlichen Wunschliste.“